Vollgeld (oder 100%-Geld)
Eine Idee von großem Charme und mit respektheischender Vergangenheit.
Was ist damit gemeint? Ganz einfach, Banken dürfen nur das Geld ausleihen, das ihnen Kunden für eine bestimmte Zeit mit eben der Maßgabe anvertrauen, es auszuleihen. Der Bankkunde mit der Einlage erhält Zinsen ausbezahlt (oder gut geschrieben), der Kreditnehmer zahlt Zinsen.
Alles andere der Bank anvertraute Geld muss in Form von gesetzlichen Zahlungsmitteln da sein oder unmittelbar zur Verfügung stehen – daher der Name „Vollgeld“ oder „100%-Geld“.
Was steckt dahinter?
Nicht ganz einfach zu beantworten, weil vieles, was selbstverständliche Voraussetzung sein sollte, nicht so ganz klar ist. Wie kommt das Geld in die Welt? Zentralbanken sind dafür zuständig, klar doch. Die drucken Scheine und prägen Münzen, mit denen wir bar zahlen. Dann hat aber doch jeder von uns ein Girokonto, was ist damit? Da gehen Löhne und Gehälter ein, Kindergeld, andere Zahlungen aus öffentlichen Kassen, der Selbstständige braucht das Konto, um Rechnungen bezahlen zu können und das Geld zu vereinnahmen, für das er selbst Rechnungen geschrieben hat.
Was stellt die Bank mit so einem Konto an?
Banken müssen einen Teil des bei ihnen liegenden Geldes bei der Zentralbank hinterlegen - „Mindestreservepflicht“ heißt das im Fachjargon.
Die Mindestreserve liegt im Moment bei 1% im Euroraum.
Was bedeutet das?
Bei einer Mindestreservepflicht von 50% (mathematisch = ½ ) kann die Bank Kredite vergeben bis zu (1: ½ =2), also das Doppelte des Geldes, was auf ihren Konten liegt. Jetzt rechnen wir mal nach: bei 1% Mindestreserve kann die Bank Kredite ausreichen bis zu?
Richtig – bis zum hundertfachen. Und dass praktisch aus dem „Nichts“ heraus – dieses Buchgeld hat keine Entsprechung in der Wirklichkeit, die Bank verfügt nicht über Bargeld in entsprechendem Umfang, das am Schalter ausbezahlt werden könnte. Konsequenzen für die „richtige“ Wirtschaft, in der Sachen, die man anfassen kann, produziert und verkauft werden, hat diese Praxis umso mehr. Ein Sprung in eben diese Wirklichkeit – auch Realwirtschaft oder modern „real world economy“: entwickelte Volkswirtschaften wachsen, wenn die Konjunktur gut läuft, um 2% im Jahr, das Wirtschaftswunderland China in den letzten Jahren um 10% - wird gerade weniger. Die Mechanismen der (Giral-)Geldschöpfung und Auswirkungen auf unser Wirtschaftssystem sind in detaillierter Form aus dem Filmbeitrag zu entnehmen.
Was fangen wir da mit Kredit an, der bis zum fünfzigfachen der ursprünglichen Einlage gehen kann?
Schwierige Nummer, ohne Zweifel. Querdenker aus der Wissenschaft, dem Bankwesen und der unternehmerischen Wirtschaft sehen genau hier
den Punkt, aus dem die uns seit 2008 im Würgegriff haltende Finanzkrise her rührt: Banken, die ein Vielfaches der ihnen anvertrauten (!) Einlagen ausleihen können, suchen nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Und weil am Finanzmarkt offenbar die Regeln des Marktes umgekehrt gelten, stürzen sich alle auf gerade als lukrativ geltende Angebote: je höher der Preis für die angesagten Wertpapiere, desto höher die Nachfrage. Und wenn der dann fällt – nix wie `raus, die Preise fallen ins Bodenlose. Sonst gilt ja eigentlich: je höher der Preis, desto niedriger die Nachfrage. Oder: je niedriger der Preis, desto höher die Nachfrage. Im heutigen Finanzsystem läuft das offenbar genau umgekehrt.
Im Vollgeldsystem kann das nicht passieren: spekulieren können Banken nur mit Geld, das ihnen zu diesem Zweck gegeben wurde.
„Normale“ Einlagen sind blockiert – sie müssen als Bargeld jederzeit zur Verfügung stehen. Die Idee des Vollgelds geht in gewisser Weise auf
<Silvio Gesell> zurück. <Irving Fisher> und <Milton Friedman> arbeiteten das Konzept dann als Kur gegen eine Wiederholung der großen Depression (1929 – 1936) näher aus. Die Wissenschaftler <Joseph Huber> und <Christoph Binswanger> stehen heute für die Vollgeldidee. Seit den 90er Jahren untersuchen sie, wie ein solches System heute umgesetzt werden kann.
Eine aktuelle <Studie des IWF> hat dem Vollgeld – Konzept große und ungewohnte Beachtung auch in der akademischen und praktischen Mainstream-Ökonomie verschafft. IWF-Gesamtstudie als Download.
Literaturhinweise
Joseph Huber, James Robertson, Vollgeld, Ein Vorschlag von JOSEPH HUBER und JAMES ROBERTSON, vor 100 Jahren bereits angedacht von SILVIO GESELL, auf zwei Seiten die Essenz der Idee als Download.
Huber, Joseph ; Robertson, James, Geldschöpfung in öffentlicher Hand : Weg zu einer gerechten Geldordnung im Informationszeitalter, Kiel, Gauke, Verlag für Soziale Ökonomie, 2008 , 91 S., Paperback, ISBN: 978-3-87998-454-1, € 12,90 // Kurzfassung (Auszüge) als Download.
Was ist damit gemeint? Ganz einfach, Banken dürfen nur das Geld ausleihen, das ihnen Kunden für eine bestimmte Zeit mit eben der Maßgabe anvertrauen, es auszuleihen. Der Bankkunde mit der Einlage erhält Zinsen ausbezahlt (oder gut geschrieben), der Kreditnehmer zahlt Zinsen.
Alles andere der Bank anvertraute Geld muss in Form von gesetzlichen Zahlungsmitteln da sein oder unmittelbar zur Verfügung stehen – daher der Name „Vollgeld“ oder „100%-Geld“.
Was steckt dahinter?
Nicht ganz einfach zu beantworten, weil vieles, was selbstverständliche Voraussetzung sein sollte, nicht so ganz klar ist. Wie kommt das Geld in die Welt? Zentralbanken sind dafür zuständig, klar doch. Die drucken Scheine und prägen Münzen, mit denen wir bar zahlen. Dann hat aber doch jeder von uns ein Girokonto, was ist damit? Da gehen Löhne und Gehälter ein, Kindergeld, andere Zahlungen aus öffentlichen Kassen, der Selbstständige braucht das Konto, um Rechnungen bezahlen zu können und das Geld zu vereinnahmen, für das er selbst Rechnungen geschrieben hat.
Was stellt die Bank mit so einem Konto an?
Banken müssen einen Teil des bei ihnen liegenden Geldes bei der Zentralbank hinterlegen - „Mindestreservepflicht“ heißt das im Fachjargon.
Die Mindestreserve liegt im Moment bei 1% im Euroraum.
Was bedeutet das?
Bei einer Mindestreservepflicht von 50% (mathematisch = ½ ) kann die Bank Kredite vergeben bis zu (1: ½ =2), also das Doppelte des Geldes, was auf ihren Konten liegt. Jetzt rechnen wir mal nach: bei 1% Mindestreserve kann die Bank Kredite ausreichen bis zu?
Richtig – bis zum hundertfachen. Und dass praktisch aus dem „Nichts“ heraus – dieses Buchgeld hat keine Entsprechung in der Wirklichkeit, die Bank verfügt nicht über Bargeld in entsprechendem Umfang, das am Schalter ausbezahlt werden könnte. Konsequenzen für die „richtige“ Wirtschaft, in der Sachen, die man anfassen kann, produziert und verkauft werden, hat diese Praxis umso mehr. Ein Sprung in eben diese Wirklichkeit – auch Realwirtschaft oder modern „real world economy“: entwickelte Volkswirtschaften wachsen, wenn die Konjunktur gut läuft, um 2% im Jahr, das Wirtschaftswunderland China in den letzten Jahren um 10% - wird gerade weniger. Die Mechanismen der (Giral-)Geldschöpfung und Auswirkungen auf unser Wirtschaftssystem sind in detaillierter Form aus dem Filmbeitrag zu entnehmen.
Was fangen wir da mit Kredit an, der bis zum fünfzigfachen der ursprünglichen Einlage gehen kann?
Schwierige Nummer, ohne Zweifel. Querdenker aus der Wissenschaft, dem Bankwesen und der unternehmerischen Wirtschaft sehen genau hier
den Punkt, aus dem die uns seit 2008 im Würgegriff haltende Finanzkrise her rührt: Banken, die ein Vielfaches der ihnen anvertrauten (!) Einlagen ausleihen können, suchen nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Und weil am Finanzmarkt offenbar die Regeln des Marktes umgekehrt gelten, stürzen sich alle auf gerade als lukrativ geltende Angebote: je höher der Preis für die angesagten Wertpapiere, desto höher die Nachfrage. Und wenn der dann fällt – nix wie `raus, die Preise fallen ins Bodenlose. Sonst gilt ja eigentlich: je höher der Preis, desto niedriger die Nachfrage. Oder: je niedriger der Preis, desto höher die Nachfrage. Im heutigen Finanzsystem läuft das offenbar genau umgekehrt.
Im Vollgeldsystem kann das nicht passieren: spekulieren können Banken nur mit Geld, das ihnen zu diesem Zweck gegeben wurde.
„Normale“ Einlagen sind blockiert – sie müssen als Bargeld jederzeit zur Verfügung stehen. Die Idee des Vollgelds geht in gewisser Weise auf
<Silvio Gesell> zurück. <Irving Fisher> und <Milton Friedman> arbeiteten das Konzept dann als Kur gegen eine Wiederholung der großen Depression (1929 – 1936) näher aus. Die Wissenschaftler <Joseph Huber> und <Christoph Binswanger> stehen heute für die Vollgeldidee. Seit den 90er Jahren untersuchen sie, wie ein solches System heute umgesetzt werden kann.
Eine aktuelle <Studie des IWF> hat dem Vollgeld – Konzept große und ungewohnte Beachtung auch in der akademischen und praktischen Mainstream-Ökonomie verschafft. IWF-Gesamtstudie als Download.
Literaturhinweise
Joseph Huber, James Robertson, Vollgeld, Ein Vorschlag von JOSEPH HUBER und JAMES ROBERTSON, vor 100 Jahren bereits angedacht von SILVIO GESELL, auf zwei Seiten die Essenz der Idee als Download.
Huber, Joseph ; Robertson, James, Geldschöpfung in öffentlicher Hand : Weg zu einer gerechten Geldordnung im Informationszeitalter, Kiel, Gauke, Verlag für Soziale Ökonomie, 2008 , 91 S., Paperback, ISBN: 978-3-87998-454-1, € 12,90 // Kurzfassung (Auszüge) als Download.
TOP-Thema des Jahres 2013:
Brauchen wir ein neues Geldsystem, fragte
die Frankfurter Allgemeine Zeitung öffentlich.
Die Ängste sind etwas diffus - aber sie sind verbreitet. Was ist, wenn auf die Bankenkrise und die Staatsschuldenkrise eine dritte große Krise folgt:
die Krise des Geldes? Wenn die Menschen nach dem Vertrauen in die Banken und die unbegrenzte Kreditwürdigkeit der Staaten nun den Glauben an
das Geldsystem selbst verlieren? Thomas Mayer, der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hatte das zum Jahresbeginn in einem Interview mit
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zumindest als Möglichkeit in den Raum gestellt. Wo ist dabei das Problem? Wo lauern möglicherweise Gefahren, die man im Moment noch nicht so spürt? Wie das Bankgeschäft, so basiert auch das Geld auf dem Vertrauen der Menschen. Wenn zu viel
Geld geschaffen wird, kann das Vertrauen schwinden. Für Laien ist die Vorstellung oft verblüffend, dass auch Geschäftsbanken Geld schöpfen
können. „Wenn niemand anders als die Notenbank Geld schöpfen darf, kann sie die Geldmenge eins zu eins kontrollieren“, sagt Helge Peukert, Finanzwissenschaftler an der Universität Erfurt und wissenschaftlicher Beirat von Occupy Money. In der Schweiz will der Verein „Monetäre Modernisierung“ um den Ökonomen Hans Christoph Binswanger, den Doktorvater des früheren Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, eine Volksabstimmung über die Einführung eines solchen Modells durchsetzen. Und in Deutschland fordert eine Initiative namens „Monetative“ um den Wirtschaftssoziologen Joseph Huber von der Universität Halle eben-
falls: „Alles Geld soll ausschließlich von einer unabhängigen öffentlichen Stelle geschöpft werden - der Zentralbank.“ Es sei wichtig, die „Geldmengenkontrolle wiederzuerlangen“, meint Huber: „Sonst produzieren die Banken so lange Geld, bis das System zusammenbricht.“ Die Geldschöpfung der Banken ist aber von anderer Natur als die der Notenbank. Es sind die Banken, die einen Großteil unseres Geldes schaffen. Und zwar große Geschäftsbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank genauso wie kleine Volksbanken und Sparkassen.
Die Geldschöpfung der Banken via Giralgeld macht derzeit 91 Prozent der Geldmenge in der Eurozone aus. Und das funktioniert im Detail so: Mehr...
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2013
die Krise des Geldes? Wenn die Menschen nach dem Vertrauen in die Banken und die unbegrenzte Kreditwürdigkeit der Staaten nun den Glauben an
das Geldsystem selbst verlieren? Thomas Mayer, der frühere Chefvolkswirt der Deutschen Bank, hatte das zum Jahresbeginn in einem Interview mit
der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zumindest als Möglichkeit in den Raum gestellt. Wo ist dabei das Problem? Wo lauern möglicherweise Gefahren, die man im Moment noch nicht so spürt? Wie das Bankgeschäft, so basiert auch das Geld auf dem Vertrauen der Menschen. Wenn zu viel
Geld geschaffen wird, kann das Vertrauen schwinden. Für Laien ist die Vorstellung oft verblüffend, dass auch Geschäftsbanken Geld schöpfen
können. „Wenn niemand anders als die Notenbank Geld schöpfen darf, kann sie die Geldmenge eins zu eins kontrollieren“, sagt Helge Peukert, Finanzwissenschaftler an der Universität Erfurt und wissenschaftlicher Beirat von Occupy Money. In der Schweiz will der Verein „Monetäre Modernisierung“ um den Ökonomen Hans Christoph Binswanger, den Doktorvater des früheren Deutsche-Bank-Chefs Josef Ackermann, eine Volksabstimmung über die Einführung eines solchen Modells durchsetzen. Und in Deutschland fordert eine Initiative namens „Monetative“ um den Wirtschaftssoziologen Joseph Huber von der Universität Halle eben-
falls: „Alles Geld soll ausschließlich von einer unabhängigen öffentlichen Stelle geschöpft werden - der Zentralbank.“ Es sei wichtig, die „Geldmengenkontrolle wiederzuerlangen“, meint Huber: „Sonst produzieren die Banken so lange Geld, bis das System zusammenbricht.“ Die Geldschöpfung der Banken ist aber von anderer Natur als die der Notenbank. Es sind die Banken, die einen Großteil unseres Geldes schaffen. Und zwar große Geschäftsbanken wie die Deutsche Bank und die Commerzbank genauso wie kleine Volksbanken und Sparkassen.
Die Geldschöpfung der Banken via Giralgeld macht derzeit 91 Prozent der Geldmenge in der Eurozone aus. Und das funktioniert im Detail so: Mehr...
Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.08.2013