Glossar
ABS (Asset Backed Securities): Forderungsbesicherte Wertpapiere; Ausgabe handelbarer Wertpapiere, die (im günstigen Fall) durch regelmäßige
Zahlungsströme (Hypotheken, Autokredite usw.) und eine breite Streuung der zugrunde liegenden Risiken (hier: viele Hypotheken und Autokredite in einem ABS) abgesichert sind.
Asset: Oberbegriff für Anlagegüter aller Art (Aktien, Anleihen, Immobilien, Rohstoffe usw.).
Bail-out: Öffentliche Rettungsaktionen für zahlungsunfähige Unternehmen in Form finanzieller Hilfen, Garantien, Änderungen von Bilanzierungsregeln usw., die sich oft in Form höherer Staatsverschuldung bemerkbar machen.
Bank: Ein Unternehmen, das kurzfristig – z.B. durch von Anlegern geliehene Spareinlagen – Gelder aufnimmt, die als Verbindlichkeiten der Bank i.d.R. jederzeit zurückgefordert werden können. Diese Einlagen (Passiva) werden mit Zinsen als Unternehmenskredite, Hypotheken usw. verliehen. Dies ist die einfache Elementarfunktion der Banken, doch Achtung: Die Passiva (Spareinlagen) sind liquide, die Aktiva (längerfristige Investitionen) sind nicht oder weniger liquide, da sie als längerfristig laufende Kredite gebunden sind. Problem: Je liquider die Spareinlagen, umso günstiger für die Bank (z.B. niedrige Zinsen bei Girokonten); je illiquider die Aktiva (lange Laufzeiten der Kredite), umso höher i.d.R. der Zins. Aus der möglichst hohen Zins-differenz zwischen Passiva und Aktiva resultiert der Gewinn der Banken; je größer die Differenz und je geringer die Sicherheitspolster, umso höher ist aber auch das Risiko der Illiquidität. Der trade-off divergierender Laufzeiten ist somit bei Banken strukturell-immanent. Bei einem Ansturm der Anleger kann sich die Bank gezwungen sehen, Aktiva (Hypotheken usw.) zu verkaufen (deleveraging); sehen sich viele Banken hierzu gezwungen, kann es zu rasanten Wertverlusten kommen.
Behavioral Finance: Neuere Forschungsrichtung am Rande des Mainstream, die typische nicht-rationale Aspekte menschlichen Entscheidungs-verhaltens untersucht, die zu Instabilitäten der Finanzmärkte führen können.
Bubble: (Spekulations)Blase.
Capturing: Kaperung oder Eroberung der Denkweisen und Beeinflussung des Kontrollverhaltens der Aufsichtsbehörden durch Lobbying, Geldzahlungen, Einladung zu Tagungen und ‚Aufklärung‘ über die wirklichen Zusammenhänge.
CDS (Credit Default Swap): Kreditderivat; erlaubt den Handel mit Ausfallrisiken von Krediten, Anleihen usw. (z.B. bei Insolvenz oder teilweiser Nichtrückzahlungsfähigkeit); der Sicherheitsnehmer zahlt eine Prämie an den Sicherheitsgeber, um von diesem im Falle des Ausfalls des Referenz-schuldners (z.B. des Anleiheemittenten) eine Ausgleichszahlung zu erhalten; Clou: man kann sich versichern, ohne Kredite, Anleihen usw. tatsächlich zu besitzen (= naked CDS).
Collateral: Pfand, zur Sicherheit hinterlegter Gegenstand oder Wertpapier.
Counterparty risk: Risiko durch Ausfall der Gegenseite bzw. des Vertragspartners; diesbezügliche Risiken haben in den letzten Jahren durch Derivate, höhere finanzinterne Verschuldungsketten usw. stetig zugenommen.
Deleveraging: Geringe Wertverluste der Aktiva können zur Nichteinhaltung des angestrebten oder gesetzlich vorgeschriebenen Fremd- zu Eigen-kapitalverhältnisses führen, was zwecks Ausgleich zum Verkauf von Assets in (mehreren) Anlageklassen (Aktien, Rohstoffe usw.) führen kann; Problem: Ein synchrones Zurückfahren und Verkaufen führt zu deutlichen Wertverlusten der verkauften Assets, mit denen sich die Verkäufer kollektiv gegenseitig schädigen, was das Ziel einer Rekonsolidierung verhindern kann (siehe mit Zahlen- und Buchungsbeispiel: http://
www.blicklog.com/2008/11/17/deleveraging-der-hebel-zur-finanzkrise/).
Derivate: Abgeleitete Werte (lat. derivare = ableiten); Finanzinstrumente, deren Preis vom Wert anderer Handelsgüter (Lebensmittel, Rohstoffe), Wertpapiere (Aktien, Anleihen), Zinssätzen oder Ereignissen (Unternehmensinsolvenzen, Staatsbankrotte) abhängt; der Wert ändert sich in Abhängigkeit vom Basiswert; bei Futures muss die Verpflichtung bei Fälligkeit erfüllt werden; bei Optionen besteht ein Ausübungsrecht; bei Swaps werden Zahlungsströme (z.B. fixe versus variable Zinserträge) getauscht; Vorteil: bei Derivaten kann man mit wenig Einsatz eine große Menge
des Basiswertes bewegen (Hebel, Einzahlungspflicht bei Abschluss von oft nur 5% des Handelswertes); Nachteil: eine geringe Veränderung des Basiswertes führt in der Regel zu einer deutlich höheren Schwankung des Derivatwertes, bei fallenden Preisen kann dies existenzbedrohende Auswirkungen haben; der Handelswert der Derivate übersteigt heutzutage bei weitem den der Basiswerte (underlyings); die meisten Derivate stellen spekulative Wetten auf zukünftige Preisverläufe dar, mit einem Gewinner und einem Verlierer.
Eigenkapital(quote): Vermögensanteil, der nach Abzug aller Schulden übrig bleibt; Anteil der Eigentümer am Gesellschaftsvermögen (im Unterschied zum Fremdkapital); umfasst bei AGs im wesentlichen Grundkapital und Gewinnrücklagen (sogenanntes hartes Eigenkapital, Tier 1); Eigenkapitalquote: Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme; kann auf höchst unterschiedliche Weise definiert werden (D’Hulster 2009).
Exposure: Grad des Risikos oder Ausgesetzt seins z.B. durch die Zusammensetzung der Bilanz, der Handelspositionen oder der Handelspartner.
Fundamentals: Volkswirtschaftliche Fundamentalwerte; bei einem Unternehmen z.B. Marktposition, Innovationsfähigkeit, Patente, Kompetenzen der Arbeitnehmer usw. Gemäß EMH sollte der Kurs einer Aktie diesem realökonomischen Fundamentalwert entsprechen.
(Geschäfts)Banken (Commercial banks): Einlagen- und Kreditgeschäft; Organisation des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (Girogeschäft); der Sektor ist in Deutschland in Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken aufgeteilt, die nach dem Universalbankenprinzip auch sekundär in der Vermögensverwaltung, bei Wertpapieremissionen usw. tätig sein können.
Haircut: wörtl. Haarschnitt, bezeichnet den meist prozentualen Sicherheitsabschlag vom Nennwert der Assets;
er drückt das vermutete Ausfallrisiko aus.
Hedgen (hedging): Absicherung, Deckungsgeschäft (mittels Optionen, Futures usw.); dient zur Vermeidung des Risikos nicht vorherbestimmbarer Preisschwankungen.
Investmentbanken: Sie tätigen die Vermögensverwaltung für Kunden, den Handel und Eigenhandel mit Wertpapieren, sie begleiten und initiieren Aktienemissionen, begeben Anleihen und führen Fusionen und Übernahmen (M & A) durch.
Leerverkauf (short sale): Unterschieden werden gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe; bei gedeckten werden z.B. Aktien oder Devisen von B durch A ‚ausgeliehen‘ und die Rückgabe zu einem späteren Zeitpunkt vereinbart; die geliehenen Aktien werden dann von A verkauft und kurz vor der vereinbarten Rückgabe an B am Markt von C gekauft; ein Gewinn entsteht, wenn der Preis kurz vor Rückgabe unter dem Ankaufspreis von B liegt; Meinung EMH: Leerverkäufe sind gut, da sie Handlungsoptionen erweitern und die Marktvolatilität senken kann; Meinung BBP: durch den Verkauf der Aktien von B kurz nach dem Ankauf durch A wird oft eine Talfahrt des Preises bezweckt und/oder bewirkt und so die Volatilität und Instabilität erhöht; bei ungedeckten Leerverkäufen (naked short sales) vereinbart man den Verkauf von A an C in der Zukunft, ohne sich die Assets vorher auszuleihen; Vorteil: Handel mit geringerem Eigenkapital möglich (Hebel); Nachteil: Mit weniger Kapital kann größeres Unheil angerichtet werden.
Lender of last resort: Wörtl. Kreditgeber letzter Instanz; der letzte Rettungsanker hinsichtlich Finanzierung oder Garantieleistungen in angespannten Zeiten; in Frage kommen Zentralbanken und Regierungen.
Leverage (Ratio): (Grad der) Fremdkapitalaufnahme bzw. Fremdfinanzierungsgrad, gibt das Verhältnis von Fremd- zu Eigenkapital an. Grundsätzlich gilt: Je mehr Fremdkapital aufgenommen wird, eine umso höhere Eigenkapitalrendite lässt sich erzielen (Hebelwirkung), umso größer ist aber auch das Risiko des Scheiterns mangels ausreichender Eigenkapitalpuffer. Beispiel: Eine Bank mit 100 Mio. Grundkapital und 400 Mio. zu 3% verzinsten Kundeneinlagen verleiht zu 8% und macht bei 10%iger Kapitalreserve 24 Mio. Gesamtgewinn. Leiht sich die Bank weitere 500 Mio. zu 4% und verleiht diese zu 8%, so ergibt sich ein Gewinn von 40 Mio. Die Eigenkapitalrendite steigt um 2/3. Durch einfaches Leveraging (hohe Risikobereitschaft) werden Helden des Finanzbusiness geboren, doch die Finanzalchimie kann in einer Abschwungphase auch in die umgekehrte Richtung bis zur Systemgefährdung führen (Nieten in Nadelstreifen).
Makroprudentielle Regulation: Im Unterschied zu mikroprudentieller Regulation, die sich auf einzelne Finanzinstitute bezieht, richtet sich das Augenmerk der Aufsichtsbehörden auf den Finanzmarkt als solchen betreffende Entwicklungen, z.B. den Gesamtverschuldungsgrad einer Volks-wirtschaft (Verschuldung der Haushalte, Unternehmen, Finanzinstitute und des Staates in Relation zum BIP); so könnten die Aufsichtsbehörden bei Überschreiten einer bestimmten Grenze z.B. höhere, antizyklische Eigenkapitalanforderungen stellen; nicht allseits beliebt, da konzeptuell das BBP voraussetzend.
Mark-to-market: Aktiva werden immer zum aktuellen Marktwert in der Bilanz angesetzt, unabhängig davon, ob z.B. Gewinne durch Verkauf realisiert wurden oder nicht. Problem: In Boomphasen bläht sich der Wert der Aktiva (aus Sicht des BBP: übertrieben) auf, was weitere Fremdkapitalaufnahme erlaubt, bis die Preise nicht mehr weiter steigen und dann eine ebenfalls prozyklisch wirkende, meist abrupte Kontraktion (deleveraging) auslösen.
Moral Hazard: Wörtl. moralisches Risiko (treffender wäre wohl: Riskante Moral), Gefährdung oder Wagnis; bezeichnet nachvertraglichen Opportunismus und mangelnde Schadensvermeidung wegen geringerer Anreize zur Sorgfaltspflicht z.B. aufgrund von (Brandschutz)Versicherungen;
im Finanzbereich v.a. virulent wegen Einlagensicherungen und der too-big-to-fail-Problematik.
Originator: Meist Banken als Gründer einer Zweckgesellschaft, Vorteil: Oft geringere Eigenkapitalhinterlegung, Nachteil: Meist Dennoch-Haftung
bei Scheitern.
Prozyklizität: Beschreibt den Sachverhalt, dass beim Kreditvergabegeschäft der Banken gleiche Verhaltensmuster wie in der Realwirtschaft auftreten, d.h. ein starkes Kreditwachstum im Wirtschaftsaufschwung und eine starke Kontraktion im Abschwung erfolgt; wird begünstigt durch mark-to-market-Bilanzierungsregeln; besser wäre eine ausgleichende (ev. antizyklische) Wirkung, aber kann man die Bowle entfernen, wenn die Party gerade erst richtig beginnt?
Schattenbanken: Hier nicht betrügerisch-illegale Machenschaften, sondern innerhalb des gesetzlichen Rahmens agierende Kreditinstitute, die keine offizielle Banklizenz besitzen, nicht wie Banken kontrolliert werden und auch nicht ihren Regulationsvorschriften (z.B. hinsichtlich des Eigenkapitals) unterworfen sind; zeichnen sich oft durch hohes Leverage und sehr kurzfristige Mittelaufnahme aus; Beispiele: Hedgefonds, die früheren Invest-mentbanken (Lehman Brothers, Bear Stearns), Zweckgesellschaften, die amerikanischen Hypothekenfinanzierer.
Sekuritisierung: Ersetzung von Bankkrediten durch handelbare Wertpapiere (siehe Zweckgesellschaft).
Spread: Kursdifferenz zwischen An- und Verkaufspreis und z.B. Zinsdifferenz bei Staatsanleihen zwischen Ländern mit höherer und
geringerer Bonität.
Systemisches (systemrelevantes) Risiko: Tatbestände, die das Finanzsystem insgesamt bedrohen wie z.B. die Insolvenz eines großen
Finanzinstituts oder undurchsichtige, hohe Verflechtungen der Handelspositionen vieler Finanzinstitute.
Too-big-to-fail: Wörtl. zu groß, um zu scheitern oder scheitern zu können; beschreibt den Umstand, dass große (Finanz)Unternehmen (Konglomerate, Megabanken) wie Goldman Sachs oder die Deutsche Bank wegen ihrer hohen Bedeutung für das Gesamtsystem von der Politik nicht fallen gelassen und gerettet werden, was sie zu höherem Risiko verleitet und zur unfairen Folgekostenübernahme durch die öffentliche Hand führt.
Trade-off: Zielkonflikt.
Volatilität: Maß der kurzfristigen Fluktuation einer Zeitreihe (z.B. Aktien, Währungen) um den Trend oder Mittelwert (gemessen als Standard-abweichung oder Varianz); Gradmesser für Preisschwankungen; Grundsatz: Hohe Schwankungen sind schlecht.
Zweckgesellschaft: Juristische Person, die zu bestimmten Zwecken gegründet wird (meist zur Ausnutzung inkonsequenter Regulierungsunterschiede zum erforderlichen Eigenkapital); im Prinzip verkauft der Originator Zahlungsansprüche (z.B. Kreditrückzahlungen) an die Zweckgesellschaft, die die Zahlungsforderungen bündelt und in handelbare Wertpapiere mit oft sehr kurzer Laufzeit verwandelt (Verbriefung), die am Kapitalmarkt platziert werden und die (z.B. Hypotheken)Forderungen als Sicherheit dienen; als Unterlegung können auch Anleihen, oder Derivate dienen; Vorteile nach EMH: Bessere Risikostreuung, liquide Machen von Buchforderungen, bessere Risikoeinschätzungen über die Kapitalmärkte, geringeres erforderliches Eigenkapital usw.; Nachteile nach BBP: Größere Instabilität selbst durch kleinere Marktveränderungen (z.B. steigende
Zinsen und fallende Immobilienpreise); durch Verkauf Illusion nichtvorhandenen eigenen Risikos und geringere Aufmerksamkeit (Moral Hazard) von Seiten des Originators; kaum einschätzbare Risiken der oft komplexen Finanzinstrumente, daher ideal geeignet für Freunde maximalen Risikos.