Ein Kommentar zum Thema der jüngsten Spiegelausgabe "Wie der Kapitalismus unser Vermögen gefährdet". Es war mal wieder so weit: Parallel zu einer ca. 10%-igen Kurskorrektur an den globalen Aktienmärkten machte der Spiegel in seiner 43. Ausgabe des Jahres 2014 Kapitalismuskritik zum Thema. Aus Sicht von Occupy Finance ist die Wahl des Themas nicht überraschend, doch für den interessierten Bürger mag es verwunderlich erscheinen, dass eine renommierte Zeitschrift wie der Spiegel nach einigen Turbulenzen an den Märkten sofort wieder die Grundsatzfrage diskutiert. Wir begrüßen diese Entwicklung und möchten mit diesem Beitrag auf die Substanz des Artikels eingehen: |
Aus der Einleitung des Leitartikels "Das Zombie-System" wird schnell deutlich, warum auch 5 Jahre nach der großen Finanzkrise die kritische Auseinandersetzung mit dem Kapitalismus aktuell bleibt. Sowohl in ökonomischen Fachkreisen als auch bei den Bürgern verfestigen sich die folgenden 2 Erkenntnisse: a) Dass das globale Wirtschafts- und Finanzsystem trotz zahlreicher Hilfspakete und extrem lockerer Geldpolitik fragil und schwach bleibt und b) Dass die Gesellschaftsstruktur immer ungerechter wird: Einkommen und Vermögen konzentrieren sich zunehmend in den Händen der Vermögenden 5-10%. Was in 2011 von der Occupy Bewegung als Problem unter dem Slogan '99%' korrekt thematisiert wurde, wird im Jahr 2014 in Fachkreisen unter dem Fachbegriff der "Inklusion" diskutiert. In dem Spiegel -Artikel bedeutet "Inklusion" die Fähigkeit "alle Schichten der Gesellschaft am wirtschaftlichen Aufstieg und am politischen Leben teilhaben zu lassen". Diese, so die These, sei den westlichen Industrienationen abhanden gekommen.
Was auf diese vielversprechende Bestandsaufnahme zu Beginn des Artikels folgt, hat leider mit einer strukturierten und systematischen Analyse und Aufarbeitung der Ursachen bzw. Zusammenhänge wenig zu tun. Stattdessen besteht der Artikel aus einer Aneinanderreihung von Interviews mit handelnden Personen aus dem Finanzsystem,
die sich anekdotenhaft und überwiegend kritisch über dem status quo des letzteren äußern. Diese Tatsache ist begrüßenswert, doch inhaltlich wenig informativ.
Bevor wir auf im folgenden auf die einzelnen Inhalte eingehen, nehmen wir das wichtigste gleich vorweg. Der Artikel endet mit einem Zitat des Ökonomen Darab Ecemoglu, das Occupy Finance aus dem Herzen spricht. "Die Probleme der Welt werden nicht im Gespräch zwischen George Soros und Bill Gates gelöst, die Erneuerung muss von unten kommen."
Die wesentlichen Neuinformationen aus unserer Sicht im Folgenden:
1) Der Spiegel thematisiert das vom Mainstream erst kürzlich entdeckte "Rätsel" der säkulären Stagnation. Ein aus unserer Sicht wichtiger Begriff der beschreibt, dass die westlichen Industrienationen langfristig weniger stark wachsen werden als in den vergangenen 60 Jahren. Diese Tatsache hat starke Auswirkungen auf viele Aspekte unseres Lebens wie z.B. auf unseren Wohlstand, das Gerechtigkeitsverständnis und die Intensität internationaler geopolitischer Konflikte. Der Begriff der"säkulären Stagnation" wurde in 2013 durch Larry Summers populär. Ihm darf angerechnet werden, dass er den Begriff als erster Neoklassiker in den Mainstream getragen hat. In der Tat prognostizieren viele Kritiker der neoliberalen (neoklassischen) Mainstream- Theorie seit Jahren, dass das Ausmaß des Wachstums nachhaltig absinken wird. In dieser Debatte sind nun die kausalen Begründungen wichtig. Während beispielsweise Larry Summers eine sinkende Produktivität und eine weniger kinderreiche demographische Entwicklung für diesen Trend verantwortlich macht, verweisen Kritiker wie z.B. die Österreichische Schule, Postkeynesianer und die Monetative auf exzessives Kreditwachstum. Diese Debatte wird an Intensität gewinnen und bleibt die wichtigste unserer Zeit.
2) Der Spiegel zitiert Daten des Global Wealth Report der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2013, um folgende These über die Fehlfunktion des Kapitalismus zu begründen: "Heute organisieren Banken, Fonds und Investment-gesellschaften die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, die nicht zuletzt Angehörige der Mittelschicht trifft". Auch hier bleibt der Spiegel eine konkrete Beschreibung des Ursache-Wirkungsmechanismus schuldig. Dennoch: Immerhin benennt der Spiegel diesen Zusammenhang so, wie auch Occupy Finance ihn einschätzt: Die Größe und Struktur des Finanzsektors fördert die Ungerechtigkeit in den lang andauernden Phasen der Kreditexpansion und ist der Nährboden für Finanzkrisen. Das absurde ist, dass der Finanzsektor aber auch in den Jahren nach den unweigerlich eintretenden Finanzkrisen dafür verantwortlich ist,
dass die politisch gewollten Rettungsmaßnahmen überwiegend den oberen 10% zu Gute kommen.
3) Laut Spiegel zeigt eine Studie des Allensbachs-Instituts, dass nur eine Minderheit von 20% der Deutschen die wirtschaftlichen Verhältnisse hierzulande für gerecht hält: "Viele Bürger haben das Gefühl, dass nicht mehr die Parlamente regieren, sondern die Lobbyisten der Banken"
4) Neben einem deutschen Banker vom Bankhaus Metzler, der nicht mehr als allgemein gültige Kritikpunkte an
der derzeit extrem lockeren Geldpolitik erwähnt, stellt der Spiegel den Finanzanalysten Mike Mayo vor. Mike
Mayo hat seine kritische Auseinandersetzung mit dem Finanzsystem bereits in seinem Buch "Exile on Wall Street" veröffentlicht. Im Spiegel wiederholt nun Mayo einen seiner zentralen Vorwürfe an die Politik, auf den auch
Occupy Finance seine Forderungen aufbaut: "Das Problem ist das System und die Anreize."
Insgesamt bleibt anzumerken, dass der Spiegel- Artikel zu wenig auf die ökonomische Wissenschaft und Ihren Standpunkt und ihre Schwachpunkte in Bezug auf die realwirtschaftlichen Entwicklungen eingeht. Politiker, Zentralbanker und Topmanager verweisen und stützen sich in ihren Argumentationen als ultima ratio auf die mittlerweile stark kritisierte neoklassische Mainstreamtheorie. Damit sich dort etwas tut, muss dieses Thema
über die Medien auch zum Bürger getragen werden.
Quelle: Der Spiegel, 20.10.2014
Was auf diese vielversprechende Bestandsaufnahme zu Beginn des Artikels folgt, hat leider mit einer strukturierten und systematischen Analyse und Aufarbeitung der Ursachen bzw. Zusammenhänge wenig zu tun. Stattdessen besteht der Artikel aus einer Aneinanderreihung von Interviews mit handelnden Personen aus dem Finanzsystem,
die sich anekdotenhaft und überwiegend kritisch über dem status quo des letzteren äußern. Diese Tatsache ist begrüßenswert, doch inhaltlich wenig informativ.
Bevor wir auf im folgenden auf die einzelnen Inhalte eingehen, nehmen wir das wichtigste gleich vorweg. Der Artikel endet mit einem Zitat des Ökonomen Darab Ecemoglu, das Occupy Finance aus dem Herzen spricht. "Die Probleme der Welt werden nicht im Gespräch zwischen George Soros und Bill Gates gelöst, die Erneuerung muss von unten kommen."
Die wesentlichen Neuinformationen aus unserer Sicht im Folgenden:
1) Der Spiegel thematisiert das vom Mainstream erst kürzlich entdeckte "Rätsel" der säkulären Stagnation. Ein aus unserer Sicht wichtiger Begriff der beschreibt, dass die westlichen Industrienationen langfristig weniger stark wachsen werden als in den vergangenen 60 Jahren. Diese Tatsache hat starke Auswirkungen auf viele Aspekte unseres Lebens wie z.B. auf unseren Wohlstand, das Gerechtigkeitsverständnis und die Intensität internationaler geopolitischer Konflikte. Der Begriff der"säkulären Stagnation" wurde in 2013 durch Larry Summers populär. Ihm darf angerechnet werden, dass er den Begriff als erster Neoklassiker in den Mainstream getragen hat. In der Tat prognostizieren viele Kritiker der neoliberalen (neoklassischen) Mainstream- Theorie seit Jahren, dass das Ausmaß des Wachstums nachhaltig absinken wird. In dieser Debatte sind nun die kausalen Begründungen wichtig. Während beispielsweise Larry Summers eine sinkende Produktivität und eine weniger kinderreiche demographische Entwicklung für diesen Trend verantwortlich macht, verweisen Kritiker wie z.B. die Österreichische Schule, Postkeynesianer und die Monetative auf exzessives Kreditwachstum. Diese Debatte wird an Intensität gewinnen und bleibt die wichtigste unserer Zeit.
2) Der Spiegel zitiert Daten des Global Wealth Report der Boston Consulting Group aus dem Jahr 2013, um folgende These über die Fehlfunktion des Kapitalismus zu begründen: "Heute organisieren Banken, Fonds und Investment-gesellschaften die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums von unten nach oben, die nicht zuletzt Angehörige der Mittelschicht trifft". Auch hier bleibt der Spiegel eine konkrete Beschreibung des Ursache-Wirkungsmechanismus schuldig. Dennoch: Immerhin benennt der Spiegel diesen Zusammenhang so, wie auch Occupy Finance ihn einschätzt: Die Größe und Struktur des Finanzsektors fördert die Ungerechtigkeit in den lang andauernden Phasen der Kreditexpansion und ist der Nährboden für Finanzkrisen. Das absurde ist, dass der Finanzsektor aber auch in den Jahren nach den unweigerlich eintretenden Finanzkrisen dafür verantwortlich ist,
dass die politisch gewollten Rettungsmaßnahmen überwiegend den oberen 10% zu Gute kommen.
3) Laut Spiegel zeigt eine Studie des Allensbachs-Instituts, dass nur eine Minderheit von 20% der Deutschen die wirtschaftlichen Verhältnisse hierzulande für gerecht hält: "Viele Bürger haben das Gefühl, dass nicht mehr die Parlamente regieren, sondern die Lobbyisten der Banken"
4) Neben einem deutschen Banker vom Bankhaus Metzler, der nicht mehr als allgemein gültige Kritikpunkte an
der derzeit extrem lockeren Geldpolitik erwähnt, stellt der Spiegel den Finanzanalysten Mike Mayo vor. Mike
Mayo hat seine kritische Auseinandersetzung mit dem Finanzsystem bereits in seinem Buch "Exile on Wall Street" veröffentlicht. Im Spiegel wiederholt nun Mayo einen seiner zentralen Vorwürfe an die Politik, auf den auch
Occupy Finance seine Forderungen aufbaut: "Das Problem ist das System und die Anreize."
Insgesamt bleibt anzumerken, dass der Spiegel- Artikel zu wenig auf die ökonomische Wissenschaft und Ihren Standpunkt und ihre Schwachpunkte in Bezug auf die realwirtschaftlichen Entwicklungen eingeht. Politiker, Zentralbanker und Topmanager verweisen und stützen sich in ihren Argumentationen als ultima ratio auf die mittlerweile stark kritisierte neoklassische Mainstreamtheorie. Damit sich dort etwas tut, muss dieses Thema
über die Medien auch zum Bürger getragen werden.
Quelle: Der Spiegel, 20.10.2014